

Hm, naja. Es ist immer ein sehr großer Einschnitt, wenn man während einer kontinuierlichen Messung die Methodik wechselst, auch wenn der reale Effekt klein ist. Dafür muss es gute Gründe geben. Allerdings sagen die im Brief auch:
Es gebe »gute Gründe, auf die Quoten von MZ-Kern zurückzugreifen, vor allem wegen der höheren Fallzahlen und der möglichen Veröffentlichung nach sozio-demografischen Merkmalen und Bundesländern«, heißt es im Brief.
Heißt also, und da vertraue ich auch drauf, dass die Forschenden sich von Grund auf viel besser mit dem Thema auskennen als irgendwer anders, es ist zweifelhaft, dass es für den Wechsel der Methodik gute Gründe gibt. Ich meine, diese MZ-Kern Methode scheint einfach verlässlichere und auch detailliertere Daten für Deutschland zu liefern, weil sie eben darauf zugeschnitten ist. Die EU-Methode wird dann wohl eher gröbere Metriken anwenden. Ich kann also die Aufregung verstehen, weil es so schon danach aussieht, als ob einfach die Statistik ein wenig beschönigt werden sollte und ein großer Verlust an Detail und Genauigkeit in Kauf genommen wird.
Hm, weiß nicht, finde einige Aussagen in dem Text nicht ganz so treffend. Irgendwie scheint mir die Analyse zu stark runtergebrochen und vereinfacht, als dass sie wirklich hilfreich wäre. Und das hört sich dann nach dieser vermeintlichen zentristischen Neutralität an, die sehr gerne ihre eigene Mitwirkung verschweigt.
Ich glaube, was viel treffender wäre als was dieser Mensch meint, wäre doch, inwiefern Menschen Komplexität zulassen können bzw inwiefern ihre eigene Positionierheit komplex ist.
Nee, das stimmt mMn nicht. Das ist vielleicht in der Tendenz so, es gibt aber doch grundsätzlich sehr verschiedene Menschen, die in der Wissenschaft arbeiten. Aber was hier wohl zum Ausdruck gebracht werden soll, ist, dass es eben darum geht, dass die Position der Mitte eben Komplexität zulässt, so wie eben viele Wissenschaftler:innen (weil es nun mal tendenziell schwerer ist ein schwarz-weiß Denken zu haben, wenn man sich tiefergehend mit einer Thematik beschäftigt).
Und hier finde ich, zerbricht das Bild von den “Pushern”, “Joinern” und den “Brückenbauern”. Denn jetzt machen diese Positionen doch nicht so viel Sinn, oder? Also alle Menschen, die gegen einen Ariernachweis waren, sind auch “Pusher” und “Joiner” gewesen, nur auf der anderen Seite?? Und dass die Gesellschaft von strukturellem Antisemitismus durchzogen ist und die “Mitte” eben auch davon betroffen ist, ignorieren wir für das Bild dann auch? Inwiefern ist es also hilfreich, das Bild von “Pushern” etc zu verwenden, um das zu analysieren? Das Beispiel wird ja vom Autoren selber angebracht, aber eben nicht ausreichend beleuchtet.
Da ist sie, die zentristische “Neutralität”, der es nur darum geht, den Status Quo aufrechtzuerhalten auch auf kosten von marginalisierten Menschen. Mir ist schon klar, dass es immer ein paar Menschen geben wird, die dumme Parolen raushauen werden und Diskurse auf für oder gegen runterbrechen. Aber kann man das der Linken momentan wirklich vorwerfen? Oder ist das nicht das ewig wiederkehrende Machtspiel der gesellschaftlichen Mitte, jegliches progressives Aufbegehren kleinzumachen und zu bevormunden.
Neeee, das hat er nicht gesagt, oder?? Das ist eben genau diese Einstellung, dass solange es eine stabile Mitte gibt, alles gut ist. Scheiß auf all die Menschen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Sichtbares jüdisches Leben steht oft auch heutzutage noch unter Polizeischutz? Sintizze und Romnja wurden nie wirklich entschädigt und ihre gesellschaftliche Diskriminierung wurde kontinuierlich aufrechterhalten? Andere marginalisierte Gruppen wurden auch nie ausreichend entschädigt, erinnert, gewürdigt? Die wenigen Versöhnungsprozesse, die es gab, waren doch wohl eher Lippenbekenntnisse. Und marginalisierte Menschen müssen sich weiterhin damit abfinden, wie Dreck behandelt zu werden.
Ha? Ist diese Person wirklich so sehr gegangen im eigenen Bild, dass sie nicht erkennt, dass genau solche Vorfälle eben nicht einmalige “Situationen” sind? Es ist ein strukturelles Problem, wo wir alle beteiligt sind und sich die Gesellschaft von Grund auf ändern muss.
Wieso sollte man bitte in ein System vertrauen, das sich jahrzehntelang an der Unterdrückung von Menschen beteiligt, massiv Gewalt gegenüber marginalisierten Menschen ausübt, Menschen in der Armut gefangenhält und jeden Versuch des Wandels im Keim erstickt? Das ist doch von Grund auf das Problem, dass wir eben in so einem scheiß System leben und dieses eben ändern müssten. Nicht, dass wir uns nur damit arrangieren müssen und es dann magisch allen Menschen plötzlich gut geht.
Das Dilemma ist vielmehr, dass sich Menschen als “gut” sehen wollen, aber von ihrem Wohlstand und ihrer Macht nichts abgeben wollen, wir aber im Kapitalismus alle miteinander konkurrieren. Das kann dann doch nur zur Spaltung führen. Und es führt zu dieser Doppelmoral der Mitte, die sich gleichzeitig eben als gute, vernünftige Menschen sehen, die aber die ganze Zeit unbewusst Gewalt ausüben. Ich glaube, in diesem Dilemma ist dieser interviewte Mensch auch noch gefangen. Denn sowohl appelliert er an Empathie mit anderen Menschen, aber eben auch an Aufrechterhaltung der aktuellen Verhältnisse, die dann aber auch Unterdrückung von anderen einschließen.
Ich stimme dem prinzipiell zu, also dass es sicherlich besser ist, empathisch auf Menschen zuzugehen und zu schauen, warum sie gewisse Positionen beziehen. Denn das wird ja viel ausgenutzt, dass Menschen gewisse Ängste und Probleme haben und diese dann so instrumentalisiert werden, dass sie auf gewisse Bevölkerungsgruppen projiziert werden. Da würde es sicherlich nicht helfen, lösungsorientiert den Ängsten und Problemen nachzugehen, sondern eine gewisse Empathie mitzubringen und diesen Menschen langsam verständlich machen, dass diese Ängste eben von woanders her stammen. Gleichzeitig gibt es ja aber auch viele Menschen, die Ängste und Probleme haben, die sehr wohl einen konkreten Auslöser haben, der als solcher identifiziert werden kann. Und da würde mehr lösungsorientiertes Verhalten ja auch helfen. Ich finde, das bestätigt auch meinen Eindruck von dem Autoren, dass er nicht wirklich an einer Besserung der Verhältnisse interessiert ist, sondern vor allem an einer Schlichtung und dass sich eben alle mit ihrer Position in der Gesellschaft abfinden.