Indymedia-Statement von der Gruppe:

+++… Menschen besetzen leerstehende Kantine in Lichtenberg gegen Kürzungspolitik+++

https://de.indymedia.org/node/514139

Berlin. Am Samstagnachmittag, 31.Mai 2025, wurde ein lleerstehendes Gebäude in Lichtenberg besetzt, um gegen die Kürzungspolitik des Berliner Senats zu protestieren.

Leerstand kürzen - Paläste stürzen!

english below

Am Nachmittag diesen Samstages haben wir die ehemalige Kantine der Deutschen Bahn und die umliegenden Gebäude auf dem Gelände der ehemaligen Stasi in Berlin-Lichtenberg besetzt. In diesen leerstehenden Gebäuden gründen wir hiermit das “Fanya-Baron-Sozialzentrum”.

Das Ungemütliche wird weggekürzt

Wir sind hier, weil wir nicht länger tatenlos zuschauen wollen, wie der Senat soziale Einrichtungen, Projekte und Kultur wegkürzt und aus ihren Räumen treibt. Die Verdrängung aus der Stadt wird immer rasanter, die soziale Ungerechtigkeit verschärft sich immer stärker: Wohnraum kann sich kaum jemand noch wirklich leisten, immer mehr Menschen landen auf der Straße, es fehlen soziale Anlaufpunkte. Und das bisschen Kultur und Freiräume, das noch nicht Opfer des Regulierungswahns und “Marktes” wurde, hängt am seidenen Faden. Am schwersten trifft es diejenigen, die durch Barrieren, Diskriminierung und soziale Ausgrenzung ohnehin schon in dieser Gesellschaft ausgegrenzt werden. Die Haushaltspolitik des Berliner Senats steht exemplarisch für den Rechtsruck hier und weltweit, der die Interessen einiger weniger über die von uns allen stellt. Diese rechte Politik findet ihren traurigen Hochpunkt in der Repression gegen kulturelle und soziale Räume, die sich getraut haben, das feige Schweigen der breiten Masse in diesem Land zum Genozid in Gaza und der Unterdrückung der Palästinenser*innen zu brechen und deswegen (u.a. durch Streichung ihrer Förderungen) mundtot gemacht wurden.

Wir können und werden dies nicht passiv hinnehmen und wir fordern alle auf, es uns gleichzutun. Wir können uns auf diese Politik von oben nicht verlassen. Wir wollen mit dieser Besetzung einen Impuls geben, soziale und kulturelle Räume wieder von unten zu schaffen, organisiert von den Menschen für die Menschen.

Eine “demokratische” Stadtplanung wie aus einem Land, dass es nicht mehr gibt…

Ein “Campus für Demokratie” soll hier auf dem Gelände der ehemaligen Stasi-Zentrale geschaffen werden. Geschaffen von dem Berliner Senat, der seit fast 4 Jahren den unmissverständlich durch Volksentscheid ausgedrückten Willen der Menschen in seiner Stadt ignoriert. Ein Ort, der gegen politische Repressionen und Totalitarismus stehen soll. Geschaffen von dem Berliner Senat, der die kurdische und palästinensische Bewegung unterdrückt, Autobahnpläne aus dem letzten Jahrhundert vorantreibt, politisches Ordnungsrecht an den Universitäten wieder einführt und die kulturelle und soziale Substanz unserer Stadt mit seinem Kürzungsdiktat zerstört. Der Berliner Senat, der, wenn der Wille der Menschen Profitmaximierungsgier und Spekulationssucht gefährdet, wenn der die Dinge verändern willl, plötzlich Gedächtnislücken in Demokratiesachen hat und nur die Repression als Maxime seines Handelns kennt.

Der Zustand des Areals heute steht sinnbildlich für diese Demokatiedefizite und eine Stadtentwicklung, welche die tatsächlichen Bedürfnisse der Nachbarschaften und Kieze nicht sieht und ernstnimmt. Hier im Kiez gehen wir seit Jahren und Jahrzehnten an Leerstand vorbei. Wenn wir ihn nutzen wollten, z.B. für einen Treffpunkt der Zivilgesellschaft, für ein Café für Obdachlose, für eine Repair-Werkstatt - für unsere Ideen eben - wurden wir immer nur vertröstet mit Hinweis auf die hohen Hürden und Kosten. Die Zivilgesellschaft wird natürlich herzlich angehört und muss sich gedulden, wird dann vertröstet und nach zermürbenden Wartezeiten ausgebootet. Das ist Gift für nachbarschaftliches Engagement. Dort, wo die Leute selbst aktiv werden, schlägt ihnen die Arroganz von auf dem Schlips getretenen Verwalter*innen entgegen, die mit süffisantem Lächeln verkündet, dass das Pferd nunmal von vorne aufgesattelt werden müsse. Die Liste der Projekte, die dieser Stadtplanung zum Opfer fallen sind, ist lang: "Wartenburg, Sabot Garten, das Gewächshausprojekt im Park Herzberge und viele weitere. Aber solange wir hier sind, solange werden wir was besseres wollen als grauer Beton und sterile Straßen. Solange werden wir unsere Ideen zum Ausdruck bringen und solange werden wir ungemütlich werden, wenn ihr uns daran hindert.

Es gab hier bereits eine Besetzung, aus genau diesen Gründen: vor nunmehr 6 Jahren besetzten Aktivist*innen hier auf dem Gelände bereits die Frankfurter Allee 187. Es wurde verhandelt, gemeinnützige Nutzungen zugesagt, dann Zuständigkeiten hin-und-her geschoben - passiert ist natürlich bis heute nichts. Leerstand, immer hieß es, es entstehe ja hier diese Campus für Demokratie. Na bitte, macht mal, bevor uns letztere noch abhanden kommt!

Eure Pläne für diesen Campus sind aber gelinde gesagt enttäuschend. Neben einer Archiverweiterung und ein ‘Forum für Widerstand und Opposition’ (also solche, die euch nicht mehr weh tut, versteht sich), sollen hier Büros und Geschäftsräume entstehen?! Die Kantine, die wir hier unter anderem besetzen, soll abgerissen werden. An ihrer Stelle sollen mehr Büros gebaut werden, obwohl in dieser Stadt schon 1,5 Millionen Quadratmeter Bürofläche leerstehen, Tendenz steigend. (1) Graue Energie für Dinge die diese Welt nicht braucht, ein ökologisches Desaster. Stattdessen können ehemalige Büros könnte zu Wohnraum umgebaut werden. Dass das keiner tut, liegt wohl daran, dass sich die Spekulation mit der leeren Immobilie in diesem System mehr lohn und belohnt wird. So auch hier an diesem Ort. Der Gebäudekomplex, zu dem die DB-Kantine gehört, wurde Anfang der 2010er Jahre von der Deutschen Bahn, für 1 Euro (und 500.000 Euro Abrissentschädigung) an einen privaten Abrissunternehmer “verkauft”, der das Gebäude bis heute hält. Warum? Weil es sich lohnt! Ihm winken für das Aussitzen und Nichtstun nun Millionen - der Nachbarschaft dagegen nur noch mehr Ernüchterung und Enttäuschung. Für die Bedürfnissen von Profit- und Spekulationsgier funktioniert die Berliner Demokratie ganz hervorragend.

Demokratie ist immer nur die Demokratie von unten! - in Gedanken an Fanya Baron

Wir haben bessere Ideen als Bauämter und Stadtplaner*innen. Die Kantine ist ein schöner, geräumiger Bau im guten Zustand und eignet sich ganz wunderbar für kulturelle und soziale Nutzungen. Ein Gemeinschaftsraum für Nachbarschaft, Jugend und politische und soziale Inititiatven, selbstverwaltet und basisdemokratisch organisiert durch Nachbarschaft und die Menschen, die sich an dem Ort engagieren. Die umliegenden Plattenbauten sollen einer sozialen Wohnnutzung zu Gute kommen. Geflüchtete Menschen waren hier schon eine Zeit lang untergebracht, mussten aber wieder gehen, weil dem Eigentümer die Betriebskosten zu teuer wurden. Wir glauben, das kriegen wir besser hin.

Das Fanya-Baron-Sozialzentrum soll auch ein Ort der Bildung und des Gedenken werden. Wir stehen hier in einer Geschichte des Widerstands - der auch unsere Namensgeberin angehört. Als Anarchist*in kämpfte sie für eine wahrhaft befreite Gesellschaft - frei von Kapitalismus und Staatsjoch und organisert von unten. Sie gab dafür ihr Leben - getötet von der sowjetischen Geheimpolizei, wie so viele andere Anarchist*innen. Wenn hier ein Ort des Gedenken an die Opfer des Staatssozialismus entstehen soll - dann fordern wir, dass allen Geschichten Raum bekommen, auch die, die die Unzulänglichkeiten eurer “Demokratie” so offensichtlichst offenbaren. Ein Ort gegen Ausgrenzung, gegen Unterdrückung und gegen den Missbrauch politscher Macht. Ein Raum, in dem Menschen sich vernetzen, sich kollektiv entfalten können und die Freiräume spüren können, die Bedingung für Kreativität, Vielfalt und Emanzipation sind.

Niemand geht hier mit leeren Händen raus!

Wir sind nicht naiv. Wir wissen, dass es nicht lange dauert, bis die befehlstreuen Polizist*innen hier anrücken. Wir brechen hier schließlich das Gesetz, dass auf der Seite desjenigen steht, der seit 15 Jahren sich am Leerstand ein goldenes Näschen verdienen kann. Wir brechen das Gesetzt, aber vor der Folie des aktuellen Weltgeschehens, wo sich Reiche und Rechte ständig mit faschistoiden, kriegssüchtigen und testosterongeladenen Wahnvorstellungen überbieten, scheint uns diese Hausbesetzung das harmloseste zu sein, was seit langem passiert ist. Ist nicht der Versuch, trotz alledem was gutes und schönes im Schlechten zu schaffen, das was uns am Leben hält?

Wir fordern den Eigentümer auf, uns die Kantine zu übergeben. Seine Mühen und Versuchen wollen wir ihn aber natürlich trotzdem angemessen entschädigen, selbstverständlich auch mit Zinsen und Zinseszins, bei dem Einkaufspreis von 1 Euro müssten das mittlerweile so 1,61€ sein, sagen wir 2 bar auf die Hand. (2)

Wir wollen zusammen errreichen:

Keine Spekulationsobjekte mehr! Wohnraum ist ein Grundrecht und keine Ware. Das Haus wurde damals für einen Euro gekauft und steht seitdem leer. Es ist offensichtlich, dass dort kein Interesse besteht das Haus zu nutzen, sondern nur gewartet wird, bis es teuerer verkauft werden kann.

Leerstand Nutzen! Leerstand ist absurd, braucht es doch mehr bezahlbare und zugängliche Orte. Wir stellen uns eine soziale und kulturelle Nutzung der Kantine vor und wollen das existierende Bürogebäude langfristig zu Wohnungen umbauen.

Mehr Raum für Soziales, Nachbarschaft und Kultur! Die Nachbarschaft muss gehört werden und den Raum zur Gestaltung bekommen, den sie braucht und verdient. Die Kantine könnte ein solcher Ort sein, aber auch andere Gebäude auf dem Gelände, wie das Stasi-Kino auf der östlichen Seite des Areals.

Keine Repression mehr durch Förderungsentzug. Die Repression durch Streichung von Fördermitteln und die Mundtotmachung von Stimmen, die sich gegen den Genozid in Gaza und für Palästina aussprechen, muss ein Ende haben!

Kein Geld für Autobahnausbau und Waffen. Es fehlt angeblich Geld für Soziales, Bildung und Klimaschutz - gleichzeitig werden aber Millionenen Euro in den Bau einer Autobahn und Rüstung investiert. Wir fordern, dass der Autobahnbau gestoppt wird, kein Geld mehr in Rüstung gesteckt wird und stattdessen das Geld in soziale Projekte, eine faire Wohnraumpolitik ohne Profite und Spekulation und in den öffentlichen Nahverkehr fließt.

(1)https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-wirtschaft/so-viele-leere-buros-in-berlin-warum-man-daraus-nicht-einfach-wohnungen-machen-kann-12191873.html

(2) https://www.businessinsider.de/wirtschaft/negativer-kaufpreis-wie-die-deutsche-bahn-die-ehemalige-stasi-zentrale-an-einen-20-jaehrigen-verramscht-hat-f/